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Kann man auf der Menschenseele schreiben?

und wenn ja, mit welcher Handschrift? Mit welcher Tinte?

Bericht aus dem Alltag einer Hexe.

Ich bin Elena, die verrückteste Frau, die ich kenne: ich rauche nicht, ich trinke keinen Alkohol- Meine Hobbies sind unter anderem: die Sonne genießen, von Herzen laut lachen (Achtung! grenzenlose Selbstironie, die keinen Spielraum für Hoffnung lässt) und schlafen.

Seit 2019 leite ich die schönste Sprachschule der Welt und erfülle mir damit gleich mehrere Träume aus meiner Kindheit, wie eine riesige Familie haben, selber Entscheidungen treffen wo es lang geht und laut lachen. Kurz ein Leben am Rande des Wahnsinns, das war eigentlich nicht so angedacht, hat sich einfach so ergeben. Sprachen lernen, was auch mein Traum ist, passiert meist ganz nebenbei auf dem Gang, wenn die Teilnehmer aus den Kursen rauskommen und ich sie frage, wie alles so lief. So kann ich den letzten zwei Sätzen des Dozenten immer noch lauschen.

(Mittlerweile kann ich sogar auf Französich lächerlich falsch begrüßen, aber ich gebe nicht auf.)

Ich glaube nicht an den Fachkräftemangel, die Schulmedizin oder die Altersvorsorge… ich glaube an die unendliche Kraft eines Miteinanders in Harmonie.

Eines habe ich während der Pandemie gelernt, nämlich das Beten.

Nicht weil ich religiös bin, sondern weil nichts anderes mehr half.

Aus schierer Verzweiflung (woanders auch Wertschätzung = Liebe) entstehen an unserer Schule auf merkwürdige Art und Weise immer wieder neue Lösungswege. Ich begegne täglich neuen Menschen, da gibt es tolle Charaktere und auch charismatische Figuren. Immer wieder entsteht Hoffnung, wo es eigentlich keine mehr gab. Menschen, die ohne Kraft reinkommen, gehen bereichert und voller Elan aus der Schule raus. Was unser Personal mit den Kunden anstellt, darf ich gar nicht schreiben. Fakt ist: wir sind alle, ohne Ausnahme überglücklich. Das Sprachlernen im engeren Sinne passiert ganz nebenbei.

Zum Jahresanfang war es mein Herzenswunsch Workshops anzubieten, die zum Nachdenken und Nachspüren einladen.

Ein bisschen auch für mich selber, aber eigentlich in erster Linie gedacht für unser Team, unserer Kunden und Geschäftspartner, kurz für die ganze Welt.

In angenehmer Gesellschaft schöne Abende genießen und dabei über sich selbst reflektieren.

Sekt hatte ich für die Veranstaltungen auch dabei, die Nachfrage war eher gering, so manche Flasche blieb über.

Im Februar war der erste Workshop mit dem Thema “Trauma”. Die Dozentin, die ich dafür ausgewählt hatte, Aurora Botarel ist eine Akrobatin in der hohen Kunst der Schmerzbewältigung.

Wohin soll man spüren, wenn der Tank leer ist und kein Benzin mehr in dem Tank “Seele” vorhanden ist? Was tun, wenn Tanken nicht ausreicht und auch ein Austausch der Batterie nichts bringt? Wenn nichts mehr klappt, was bisher funktionierte? Ja, was dann? Entsorgen wir den Mitarbeiter einfach so und überlassen ihn der Psychiatrie. Mögen die Ärzte ihm gnädig sein.. Aus diesem Workshop kam ich mit Antworten raus, die immer mal wieder an meinem Verstand anklopfen (und bis jetzt habe ich sie noch nicht reingelassen).

Dann kam der Abend mit dem Thema “Wertschätzung”.

Wurden Sie denn schon mal echt wertgeschätzt? So, dass eine innere Entwicklung in Gang kommt, in nur 3 Monaten vom Papierflieger durchstarten als Rakete? Ich hatte nämlich früher einen Vorgesetzten, der das in uns bewirken konnte: er konnte wirklich in unserer Seele etwas Neues wachsen lassen. Und genau diesen Mann habe ich diesmal als Dozenten eingeladen.

I was born to serve.

I was born to inspire.

I was born to love.

I was born to live my truth.

Deepak Chopra

Dieses Zitat fasst in etwa das Wesen des guten Mannes zusammen. Also her damit!

Übrigens heißt er Georg Laudi, er ist mit einem Übermaß an Geduld gesegnet. Da er schon mal mein Vorgesetzter war, (genauso wie alle meine ehem. Chefs) ist er ausgehärtet wie Stahl im Feuer. I tell ya!

Der Abendworkshop war im Prinzip -wie gesagt- für Mitarbeiter und Gäste gedacht, nicht für mich.

Ich musste nämlich einen kühlen Kopf behalten, ähnlich wie früher mein Papa als er mit seinen Chefs saufen ging. Er trank kaum etwas, weil er am Ende alles bezahlen musste und nicht von den Kellnern beim Abrechnen betrogen werden wollte.

Also: Elena, immer cool bleiben, den Vortragenden anständig vorstellen, locker zuhören, dabei die Uhr nicht aus dem Blick verlieren. Und am Ende aufpassen, dass ja keine Sektflecken auf dem Teppich bleiben…da könnte man ja sonst was denken.

Und der gute Mann legte los, zunächst ganz harmlos… eine Einladung zur Selbstreflektion.

Wann war ich in letzter Zeit wertschätzend? 

Was hat es mit mir gemacht? Was hat es mit dem anderen gemacht?

Schreibblock und Stift lagen für Notizen bereit. Nur, ich hatte nichts aufzuscheiben.

Und dann ging es los:

Wo bzw. wann war ich nicht wertschätzend?

Was will mir das sagen, wenn mich etwas am anderen stört?

So an die 30 Gedanken wollten sich in meinem Gehirn gleichzeitig Gehör verschaffen,eigenlich ganz normal in den letzten 4 1/2 Jahren…30 Menschen, 30 Situationen oder 30 unterschiedliche Schicksale wollten auf einmal verstanden, angenommen und gewürdigt werden. Alle kann ich beim besten Willen nicht gleichzeitig annehmen, also brülle ich sie innerlich an und die meisten verschwinden… innerhalb ein paar Sekunden.  Nur zwei davon bleiben hartnäckig und lassen mich einfach nicht los.

Es tut schmerzlich weh, es drückt in Brust und Kehle. Und doch, ganz genau dahin hören, wäre der Schlüssel. Ich mag keine Schlüssel, die verliere ich nämlich immer. Es muss etwas anderes sein, das für immer bleibt und auch nicht verloren gehen kann. Das man auch nicht fest zu ketten braucht. Ich war ganz tief in mch versunken, wie in Hypnose, eine Gedanke kam nach dem anderen.

Irgendwo hatte ich in dem Nebel noch etwas von Dankbarkeit gehört.

Dankbar dafür sein, dass es uns überhaupt gibt; dies sei keineswegs selbstverständlich. Nur allzu gerne wäre ich weggerannt, hätte ich doch nur meine Beine gespürt. Ich wusste nicht wohin, nur raus, wo es keine Gefahr gibt, dass Worte an Wunden rühren. Dennoch blieb ich auf meinem Platz sitzen, I am the cool one, remember? Als Gastgeberin musste ich die Veranstaltung beenden. Ach, 20 Jahre Deutschland… wie pflichtbewusst ist doch das freche, wilde Bauernmädchen geworden ist. Wie bitte, Applaus?!… jetzt schon. Ich soll das Schlußwort sprechen; laut Uhr sind 45 Minuten vergangen, wie im Flug, ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Ich weiß gar nicht wohin…Ich… Ich. Aber es hat doch erst angefangen? Nichts mehr fiel mir ein, gar nichts mehr. Alles was ich vor dem Spiegel geübt hatte, war weg, einfach weg. Ich, Elena, die coole, spontane Frau der schönen Worte stand sprachlos da und doch musste ich den Abend beenden. Warum eigentlich beenden? Ruhe jetzt, die Gäste haben Hunger! Eines Tages  werde ich mein Gehirn abschalten, ich hasse seine ständigen Befehle.

Doch dann, ln letzter Sekunde kam mir folgendes Zitat in den Sinn:

They will forget what you said, but thex will never forget how you made them feel.

Maya Angelou

Applaus brandet auf.

Geschafft! Licht aussalten nicht vergesssen, die Fenster schließen, Türe zusperren. Büffet und Getränke.

Was genau der Workshop mit uns gemacht hat, weiß ich nicht. Ich weiß nur eins, für diese blöde Frau (dabei liebe ich doch alle Menschen, das habe ich schon immer gekonnt), für die muss ich mir etwas einfallen lassen, zum Abschied, das Wertschätzung ihr gegenüber ausdrückt.

Ich weiß noch nicht, warum diese Frau in mein Leben kam. Aber eines weiß ich gewiss: sie kam als Geschenk.

Kann man auf der Menschenseele schreiben?

Es gibt tatsächlich Menschen, die in uns unglaubliche Veränderungen bewirken.

Wie das ganz genau funktionierrt, keine Ahnung! Vielleicht schreiben sie ja etwas auf unsere Seele?

Ach nee, das ist doch lächerlich… Ich sagte ja bereits, zuweilen möchte ich mein Gehirn abschalten.

Kann man auf der Menschenseele schreiben?

Ich glaube: Ja!

Was wäre dann meine Text?

Es wäre ein wortloses, leises, zitterndes “Danke”.

Der Abend wirkt noch nach.

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